DIGITALE BALANCE – AUFMERKSAMKEIT WIE EIN GOLDFISCH?!

16/08/2024

Da saßen wir nun – wie nach einer unerfreulichen Diagnose beim Arzt. Schockstarre: 72 Wochen lang, zwei Stunden vor dem Schlafen kein Handy, kein Laptop, kein Computer, keine Spielekonsolen, kein TV – außer Sportsendungen und Liebesfilme. Das war unser Programm zur Aufrechterhaltung der Energie unserer Gruppen-Balance.

Wir, das waren acht Coaching-Kolleg/innen, waren zunächst sprachlos, dann leicht besorgt bis panisch:

  • Wie soll das denn gehen?
  • Das ist doch genau die Zeit, in der ich endlich mal Zeit für meine Recherchen habe!
  • Wie soll ich meine Meditations App nutzen?
  • Da unterhalte ich mich endlich mit meiner Schwester, die sonst doch auch den ganzen Tag zu tun hat!
  • Wie jetzt, auch kein TV, keine Nachrichten, kein Tatort?

Ein Anteil in mir freute sich jedoch zaghaft: Hui – das wäre eine echte Chance auf Entspannung am Abend, auf Selbstreflexion, Me- oder Family-Time. Mal was spielen oder lesen. Das könnte mir richtig gut tun – und meiner Familie vielleicht auch. Huijujui – vielleicht gar nicht so schlecht?! Eine Möglichkeit zu mehr „Digital Balance“, Aufmerksamkeit und tiefen Einsichten?

Digitale Balance – müde durch digitale Reizüberflutung?!

Seien wir mal ehrlich: Zwischen Aufstehen und Schlafengehen geben wir viel zu oft den (digitalen) Medien den Vorzug vor uns selbst. Wir lassen uns „berieseln“, ablenken und daten alles ab, unsere Smartphones, Spielekonsolen und sonstigen Geräte, den Fernseher, die E-Mails – nur nicht UNS SELBST. Oder? Erlebt ihr das anders?

Wir kamen im Laufe unserer Balance zur Erkenntnis, dass wir alle aktuell sehr müde sind. Zu müde, um wirklich zu 100 % unsere persönlichen Ziele zu verfolgen. Irgendwie ist sooo viel los jeden Tag. Da bleibt einfach kaum Zeit für irgendwas.

digitalchaos

Digitaler Wahnsinn oder Führungsschwäche?

Von morgens bis abends prasseln Informationen auf uns ein und wir müssen unbedingt noch 1000 Dinge erledigen. E-Mails beantworten und aufräumen, den Chat beantworten, bei Insta & Co nach dem Rechten sehen, die daily news checken. Auf keinen Fall wollen wir etwas versäumen.

An mir selbst, an meiner Tochter, meinem Mann, beobachte ich folgendes: Der erste Griff morgens ist zum Handy – mal sehen, ob jemand eine Nachricht hinterlassen hat, die ich gaaaaaanz dringend beantworten muss. Mal schauen, wie das Wetter wird und der Wecker läuft auch über das Handy… Warum tun wir das eigentlich? Ist das als erste Tätigkeit am Morgen wirklich notwendig?

Das Verrückte: Unsere Kinder kennen gar keinen anderen Zustand als den digitalen Wahnsinn. Da sind wir Erwachsenen wirklich gefordert, ein bisschen „oldschool“ vorzuleben und zu zeigen, dass die Nutzung bewusst erfolgen sollte. Pausen sind für uns und unser Gehirn unerlässlich, um nicht „cyberkrank“ zu werden.

Die digitalen Medien gehören zu unserem Alltag, das ist einfach so. Sie bringen auch viel Gutes und können vieles erleichtern. Erinnert ihr euch noch an die Lexikon-Reihen, die im Regal verstaubten? Brockhaus, Duden & Co? An total verhedderte Telefonkabel? An Zeiten, in denen man mühselig Informationen aus Zeitungsarchiven in detektivischer Kleinarbeit suchen musste? Heute einmal googeln und schon hat man eine oder gleich hunderte Antworten. Wir sind alle verbunden im www – das finde ich total cool.

Wann an einem Tag schenken wir jedoch uns selbst mal einen Gedanken? Wann nehmen wir uns Zeit für uns? Wann legen wir unseren Fokus auf die Dinge, die uns wirklich wichtig sind? Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann fallen mit zig Gelegenheiten jeden Tag ein, an denen ich mich lieber ablenken lassen habe – meist von meinem Smartphone.

Wir haben eine Führungsverantwortung uns selbst gegenüber! Wir müssen uns um uns selbst kümmern – sonst tut es keiner. Wir müssen unser Bewusstsein im digitalen Dschungel schärfen und achtsamer damit umgehen.

Achtung: Datenmüll hat Nebenwirkungen

Wir sollten unser Gehirn nicht zusätzlich mit Datenmüll belasten. Muss wirklich jeder von uns alle Schreckensnachrichten der ganzen Welt verarbeiten? Ist es erfüllend, stundenlang Brawl Stars oder Fortnite zu spielen? Viele verbringen ihre Meetings oder Konferenzen im „Second Screen Mode“ – da könnte ich doch schnell die E-Mails beantworten – das spart mir Zeit. Wirklich? Was machst du denn damit? Welche Informationen hast du gewonnen und was ist dir vielleicht entgangen?

Wir suchen etwas, fangen an durchs Internet zu scrollen und verlieren uns oft völlig. Mir geht es so, am Ende habe ich 20 geöffnete Fenster, weil ich auf dem Weg nach der Antwort zu einer einzigen Fragestellung noch 19 andere sehr interessante Dinge gefunden habe. Könnte ich mir ja später – wenn ich mal Zeit habe – anschauen. Und tue ich das? Klare Antwort: Nein!

Tatsächlich belastet uns der mentale Datenmüll und führt zum Mental Overload. Ein Überangebot an Ablenkungsmöglichkeiten, Optionen, Informationen, die alle um unsere Aufmerksamkeit buhlen.

Nebenwirkungen sind vielfältig und werden häufig nicht realisiert. Aufmerksamkeitsstörungen, verminderte kognitive Leistungsfähigkeit, Empathieverlust, Einsamkeit, Bewegungsmangel, Übergewicht, Haltungsschäden sind eine kleine Auswahl. Auf jeden Fall erhöht der digitale Konsum unser Stresslevel enorm. Resultate sind Schlafstörungen bis hin zur totalen Erschöpfung.

Mein Kollege berichtete übrigens direkt von seinen Kindern, die super schlafen, seit sie spätestens am Abend ohne digitale Medien „auskommen“ müssen.

Wir müssen filtern und klar bleiben – wo will ich hin, was ist der Kern, warum suche ich gerade etwas? Wir brauchen Mut, um auszusortieren, um einfach mal alle 19 Fenster wieder zu schließen und uns auf eine Sache/Suche zu konzentrieren. Ohne Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen.

Ist unsere Aufmerksamkeitsspanne wirklich kleiner als die eines Goldfisches?

brain in a box

Es gibt eine Studie zum Thema Aufmerksamkeit – angeblich von Microsoft in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist auf 8 Sekunden geschrumpft – ein Goldfisch kann 9 Sekunden aufmerksam sein.

Es ist nicht entscheidend, ob das nun stimmt oder nicht. Es lässt sich tatsächlich keine eindeutige Quelle für diese Studie finden. Entscheidend ist: Unsere Aufmerksamkeitsspanne und die unserer Kinder sinkt tatsächlich immer mehr!

Weniger Aufmerksamkeit, Fokus, Konzentration = weniger Denken, schlechtere Entscheidungen und weniger wertschätzendes Handeln.

Potenzialentfaltung

Aus meiner Sicht sind es nicht nur die „klassischen Nebenwirkungen“, die Sorgen bereiten sollten: Wir verschwenden auch unser Potenzial!

Wenn wir uns nicht mit uns selbst, unseren Träumen, Wünschen, Zielen und unserer Entwicklung beschäftigen, sondern nur den digitalen Updates hinterherlaufen, finden wir uns gefangen in unserem eigenen Gedankenkarussell. Wir bauen uns unser eigenes Gedankengefängnis, in dem wir tagein tagaus im gleichen Universum kreisen. Ohne wirklich weiterzukommen. Ohne Erfüllung, ohne unsere Ziele jemals zu erreichen, ohne vielleicht überhaupt zu wissen, was unsere Ziele sind. Sollten wir sie einmal festgelegt haben, verblassen sie im Alltag der Informationsflut.

Wenn wir nur ohne Sinn und Verstand (ohne Bewusstsein) am Handy daddeln, ist keine (Persönlichkeits-)Entwicklung möglich. Dann bleibt uns keine Zeit mehr für uns selbst.

Wir brauchen dringend unsere innere Führung! Wir brauchen Ruhezeiten, um in uns hineinzuhören, um zu schauen, wie es uns geht, um Entscheidungen zu treffen, die uns weiterbringen. Um open minded und kreativ zu sein.

Und ja, es gibt auch gehaltvolle Informationen im world wide web und großartige Lernprogramme. Es gibt viele wirklich smarte Lösungen und positive Einsatzgebiete der „neuen Technologien“.

Ich spreche davon, sich ohne Plan und Strategie, ohne Bewusstsein, in die Welt der digitalen Medien zu stürzen.

Digital Detox – Entgiftung fürs Gehirn

Meist brauchen wir jedoch erst einmal eine digitale Entgiftung – Detox für unser Gehirn.

In unserem Falle 72 Wochen Abstinenz vor dem Schlafengehen. Das macht total Sinn!

Jeder Schlaf-Coach würde das unterschreiben: Eine bis zwei Stunden vor dem zu Bett gehen, keine digitalen Medien mehr. Wegen der Infoflut, die uns nicht zur Ruhe kommen lässt, wegen der Strahlung und dem Blaulicht, das uns wach macht. Und übrigens: Kein Handy & Co im Schlafzimmer.

Schaut mal auf eure Bildschirmzeitberichte (und auf die eurer Kinder). Dort stehen in der Regel 6-9 Stunden Nutzungszeit. Ist das nicht verrückt? Alles über 4 Stunden zählt für Erwachsene schon zu einer Überdosis, habe ich mal irgendwo gelesen. Für mich passt das. Ich denke, für hochsensible Menschen kommen wir schon deutlich früher an die Grenze. Für Kinder gelten ganz andere Werte.

Viele von uns wissen, dass es uns nicht guttut – und trotzdem bewegen wir uns gedankenlos im digitalen Hamsterrad. Keiner von uns würde statt 4 Tabletten, die laut Begleitzettel am Tag in Ordnung sind, einfach mal 6-9 Tabletten nehmen, oder? Aus Sorge um das eigene Wohlergehen. Warum gilt das nicht für unseren Bildschirmzeitkonsum?

Wie die Lehrerin meiner Lehrerin zu sagen pflegt: „Wann sollen dir die Engelein denn ins Gehirn pinkeln?“ Ohne einen ruhigen, entspannten Geist verpassen wir die „innere Stimme“, unsere Intuition, die uns in die richtige Richtung weisen möchte.

Denkt mal darüber nach! Stellt euch ein Leben vor, in dem ihr nur noch digital unterwegs seid, nur noch Informationen vor Augen und über die Headphones in den Ohren. Nur noch flimmern und Blaulicht. Nur noch virtuell. Ist das erstrebenswert?

Tipps: Das kannst du tun

  • Überlege dir und reflektiere dich selbst: Was ist wirklich essenziell wichtig für dich? Was sind deine Ziele, was ist deine Vision? Was willst du wirklich erreichen? Es sollte etwas richtig Motivierendes sein – damit wir aufmerksam dran bleiben! Schreibe es auf, das wirkt noch stärker.
  • Wie viel Zeit steckst du wirklich in deine Zielerreichung? Schaue mal über eine Woche, womit du genau deine Zeit verbringst. Sei bewusst und achtsam. Das schult auch gleichzeitig deine Awareness.

Mögliche Maßnahmen

  1. Klare Handyzeiten festlegen und einhalten!
  2. Nutzung nur mit einer klaren Intention, z.B. ein Telefonat führen.
  3. Später einschalten (nicht gleich beim Aufwachen) und früher ausschalten (z.B. zwei Stunden vor dem Schlafengehen).
  4. Genau planen, was du am Tag schaffen willst. Welche To-dos sind wichtig? Was musst du bestellen oder planen?

Beschenke dich selbst!

Wie so oft gilt das auch im Umgang mit den digitalen Medien: weniger ist mehr! Dann kommen auch die positiven Effekte zum Tragen.

Meine Empfehlung: überlege dir ganz bewusst: Wo ist das Smartphone und der Laptop wirklich Mittel zum Zweck? Termine koordinieren, Abstimmung in der Fußballmannschaft, wichtige E-Mails beantworten, die Hausaufgabeninfo im Schulportal….

Und wo stellen wir bei uns schon ein kleines Suchtverhalten fest? Sei ehrlich zu dir selbst. Wir müssen unbedingt noch den Facebook-Account checken, wir müssen unbedingt noch shoppen, um die 20 % Aktion zu nutzen, Freunde X, Y und Z warten noch immer auf eine Nachricht bei Signal. Wir fühlen uns getrieben, unbedingt nochmal zu zocken und noch einen Brawl Star einzusammeln oder einen neuen Baum bei Gardenscapes zu pflanzen. Dafür brauche ich jedoch erst noch ein paar Münzen und eine Stunde später habe ich drei Bäume gepflanzt.

Letzteres war „mein Ding“. So viel Lebenszeit habe ich im virtuellen Garten verbracht. Vor zwei Jahren hatte ich die Nase voll davon. Ich habe mich so richtig über mich selbst geärgert und mir vor Augen gehalten, was ich in dieser Zeit so alles Sinnvolles machen könnte. Im realen Leben. Daraufhin habe ich alle Spiele von meinem Handy gelöscht.

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Am Anfang habe ich mich dabei erwischt, das Spielen zu vermissen. Beim Warten beim Arzt oder im Zug. Huch – was mache ich jetzt bloß? Ich weiß gar nichts mit mir anzufangen! Das fühlte sich tatsächlich komisch an.

In Wirklichkeit beschenkt man sich selbst: Zeit zum (Nach-)Denken, zu beobachten, Menschen und Natur bewusst wahrzunehmen, Inspirationen zu sammeln.

Heute vermisse ich das Ganze null. Guter Nebeneffekt: Mein Handy ist absolut uninteressant für meine Tochter. Beim Arzt packe ich mir ein Buch ein und in der Bahn mache ich ganz verrückte Sachen und schaue einfach aus dem Fenster oder schaue den Menschen um mich herum zu. Meist ist das ziemlich langweilig, denn: 99 % starren auf ihr Handy oder ihren Laptop. Hin und wieder unterhalte ich mich jedoch mit meinem Sitznachbarn! Mein Gehirn ist clean, was die Spiele angeht. Null Bedürfnis danach. Und das ist ein richtig gutes Gefühl – das kann ich wirklich jedem empfehlen. Ein Stückchen mehr Freiheit und viele Stunden mehr Zeit.

Einfach mal sein lassen – join me!

Zeit für persönliche Gespräche ohne digitale Medien. Habt ihr auch schon in Restaurants beobachtet, dass sich fast keiner mehr miteinander unterhält? Jeder starrt auf sein Handy. Viele laufen gemütlich spazieren – mit dem Handy vor den Augen. Sogar eine Reiterin habe ich vor kurzem dabei beobachtet, wie sie hoch im Sattel in ihr Handy vertieft war. Das Pferd trottete brav weiter. Jeder hat doch etwas Aufmerksamkeit verdient – auch unsere Tiere, oder?. Beobachtet gerne einmal euer Verhalten mit den digitalen Medien. Es gibt erstaunliche Erkenntnisse.

Traut euch und macht mit: 72 Wochen abends keine digitalen Medien mehr. Einfach mal sein lassen.

Die gute Nachricht: drei Wochen sind schon vorbei.

Übrigens: Mir geht es prima! Es ist wirklich eine Erleichterung, irgendwie freier. Frei für eigene Gedanken, etwas lesen, basteln, spielen, Gartenarbeit….. Ich spiele wieder öfter Klavier, habe schon drei Topflappen gehäkelt und es tut mir einfach total gut. So viele Kleinigkeiten, die ich sonst immer vernachlässigt habe. Jetzt habe ich Zeit gewonnen. Ich kann den Tag Revue passieren lassen in meiner ganz persönlichen Tagesschau, habe gute Einfälle, die ich dann in mein Notizbuch schreibe. Und ein gutes Vorbild für die Familie und vor allem meine Tochter bin ich jetzt auch!

Gibt es Nachteile? Nein – es bedarf nur etwas Planung und Bewusstsein. Dann kann man es richtig genießen!

JOIN ME! Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen!!!

  1. Da hast du dir ja wirklich etwas vorgenommen, Kerstin, 72 Wochen … das ist echt lang!
    Digital Detox finde ich grundsätzlich auch gut und sinnvoll.

    Bei uns hat sich eine "Light-Variante" bewährt: Kein Handy am Esstisch.

    Das ziehen wir seit mehr als 10 Jahren schon durch – und das funktioniert bei Kindern, Teenagern und Erwachsenen.

    1. Vielen Dank liebe Christine,
      Kein Handy am Esstisch ist für viele ebenfalls schon eine große Herausforderung. Super, dass ihr das so durchzieht. Vermutlich ist es heute eine Selbstverständlichkeit. So ist dass vielleicht auch mit meinem „Abend-Projekt“.

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